MOFF: Bei der
Durchsicht deiner Arbeit hatte ich den Eindruck, dass sich das Thema Licht wie
ein roter Faden durchzieht. Also Licht in dem Sinne, dass verstärkt die Farben
Schwarz wie der Schatten oder die Nacht oder eben das Weiß, stellvertretend für
das Licht, auftauchen. Ausserdem gibt es viele Arbeiten, wo du mit Elektrizität
arbeitest, also mit dem Licht als Medium.
Ulrike Möschel: Ja.
MOFF: Wir schauen uns hier deine Schattenarbeiten “Scheinschattenwerfer“ im, Kunstverein Bochum und “weiße Schatten“ im Kunst- und Gewerbeverein Regensburg an, kannst du dazu näheres sagen?
UM: Was Licht und Schatten angeht, würde ich sagen, dass ich eine sehr grafische Herangehensweise habe. Ich zeichne, bevor ich meine Installationen mache. Und die Auseinandersetzung mit Hell/Dunkel kommt aus dem Interesse an der Linie und an der Fläche. Licht und Schatten haben kulturell sehr weitreichende Bedeutungen. Gerade der Schatten - oder hier speziell hier die „ Scheinschattenwerfer“ – das hat zum Beispiel viel mit Mimesis zu tun. Ich habe auch Video-Arbeiten, die wie ein trompe l'oeil wirken. Da ist zum Beispiel die Tür, die im Video eingetreten wird.
Ich interessiere mich aber auch sehr für Räume und für Orte, die ich betrete. Und man hat eben meistens eine Lampe dort hängen und ein Beleuchtungssystem. In gebauten Räumen gibt es Türen und Fenster, Eingänge und Ausgänge. Es gibt eine Decke, einen Boden und eine Wand, manchmal eine Heizung, aber das auch nicht immer. Das sind ja schon fast Grund-Parameter des Bauens. Das hat mich auch interessiert. Des Weiteren ich bin immer wieder angezogen von Licht, von Lichtpunkten, seien es Straßenlaternen oder der Sternenhimmel. Das sieht man jetzt nicht so direkt in meiner Arbeit, aber der interessiert mich auch sehr. Es ist auf jeden Fall so ein, wie soll ich sagen, ein, nicht ein roter, sondern ein leuchtender Faden, der sich irgendwie durch meine Arbeit zieht. Trotzdem verstehe ich meine Arbeit selbst thematisch als viel breiter gefächert.
MOFF: Kannst Du uns noch kurz etwas zu dieser Schattenarbeit sagen? Wie hast Du das technisch gemacht?
UM: Die Schatten der Scheinwerfer-Installation im Kunstverein Bochum klebten direkt unter der Decke und ich konnte dadurch ein Verwechselspiel mit Graphitzeichnungen auf der Wand und realem Schattenwurf machen. Das war in Regensburg, dem Kunst- und Gewerbeverein, nicht möglich. Da musste ich eine andere Lösung finden. Ich hatte davor auch schon mit weißem Lack gearbeitet, und so kam dann die Idee, das ins Gegenteil zu vertauschen: Den dunklen Schatten in eine helle, strahlende Fläche zu verwandeln. Es gab eine Arbeit mit weißem Lack auf Wand, die habe ich im Kjubh in Köln gezeigt. Das ist die Vorgänger-Arbeit. Bei dieser Arbeit hatte das Muster auch gar nichts Schattenhaftes, aber in Regensburg ist das wirklich ein überzeugender Schatten geworden, der aber nicht mit einem realen Schatten konkurrieren musste wie das bei der Arbeit in Bochum der Fall war. In Bochum war es so: Hier gab es echte Schatten und die gezeichneten Schatten. Ich musste so arbeiten, dass man es wirklich verwechseln konnte. In der Situation in Regensburg hat die andere Variation sehr gut geklappt: Einfach nur mit dem weißen Lack zu arbeiten, und allein die Silhouette ruft den überzeugenden Eindruck des Schattens hervor.
MOFF: Interessiert dich denn auch die Beziehung zwischen dem Zweidimensionalen und dem Dreidimensionalen? Ist das auch ein Thema?
UM: Ja. Sehr.
MOFF: Du spielst hier mit dem Verhältnis zwischen der Realität und dem Abbild der Realität, wie hier in der Schattenzeichnung.
UM. Ja. Also, das Verhältnis von Dreidimensionalität und Zweidimensionalität interessiert mich natürlich sehr. Obwohl es jetzt keine Arbeiten gibt, in denen ich beide Element miteinander direkt verknüpfe. Das wäre schön, wenn mir das auch gelingt, das wären dann ja sehr große, sehr umfassende Raum-Installationen, denke ich, die sowohl Wand, Fläche, Raum, Boden, also alles gleichzeitig bearbeiten. Das Schattenhafte, der Doppelgänger, die Kopie, das sind Elemente, die immer wieder in meiner Arbeit auftauchen, auch schon sehr früh. In einem Katalogtext hat Annette Urban das wirklich schön geschrieben. Sie hat vom Doppelgängerhaften geschrieben. Was ja auch die Dimension des Unheimlichen hat, und das fand ich wirklich gut beobachtet. Ich orientiere mich in meiner Arbeit sehr stark dem an, was man sieht oder vermeintlich sieht. Man kann alles in Frage stellen, was vor unseren Augen ist. Man könnte es vielleicht als einen phänomenologischen Ansatz begreifen, was ich mache. Also was wirklich vor meinen Augen ist, was auch sichtbar ist, was da ist als Form, was dadurch sehr viel mit dem Alltag zu tun hat.
MOFF: Zum Beispiel die Arbeit mit der Rutsche?
UM: Zum Beispiel. Ich arbeite gerne mit Gegenständen, mit denen die meisten Menschen was anfangen können oder die jemandem im Laufe seiner Biografie begegnen. Also insofern versuche ich schon, bestimmte gemeinsame Nenner zu finden. Aber ich habe dann auch wieder ein paar Haken in meiner Arbeit. Wenn man sich meine Zeichnungen anschaut, stößt man auch auf abstrakte Zeichnungen. Daraus haben sich noch keine Skulpturen, Plastiken oder Raum-Installationen entwickelt, die dann genauso abstrakt wären, aber so was ist ebenfalls da oder ich beschäftige mich auch damit. Ich schaue mir sehr gerne abstrakte Kunst an. Aber der Ausgangspunkt und die Initialzündung für mein Arbeiten liegen in der Begegnung, im gegenständlichen Sehen.
MOFF: Du arbeitest oft ortsbezogen, für den Innenraum oder du holst etwas von außen nach innen wie zum Beispiel den Strommasten. Wie entwickelst du diese Arbeiten?
UM: Ich schaue mir immer den Raum sehr genau an. Und ich mache Zeichnungen. Ich schaue mir das Umfeld an, ob es bestimmte Dinge gibt, die mir ins Auge springen, an denen ich mich sozusagen aufhänge.
MOFF: Also der Raum ist der Ausgangspunkt um deine Arbeit zu entwickeln?
UM: Ja, oder auch Gegenstände, die in ihm drin sind. Der Raum muss nicht immer der Ausgangspunkt sein, es gibt auch autonomere Arbeiten. Ich denke, dass die Rutsche dazu zählt, aber auch die Schaukel. Aber ich orientiere mich auch an den Räumen. Ich habe nicht immer einen Raum zur Verfügung, in dem ich arbeite. Auch kann man nicht in jedem Raum ortsspezifisch arbeiten. Das hängt von der Form der Ausstellung ab und von den Möglichkeiten, die ich habe. Aber ich mache es gerne so. Und das ist ja auch wieder ein Reagieren auf Situationen, die bereits da sind, auf das Vorgefundene.
MOFF: Der Begriff des Doppelgängers von der Annette Urban, den du eben schon erwähnt hast, der erinnert auch an diesen Moment des Unheimlichen, den gibt es bei deinen Arbeiten öfters, nicht? So wie bei der Schaukel oder bei der Tür, hinter der das zerbrochene Glas heraussplittert.
UM: Ja.
MOFF: Man weiß nicht, was da genau passiert ist. Es ist irgendetwas Unerklärliches.
UM: Ja. Das ist in vielen Arbeiten vorhanden. Also, die von dir genannte Arbeit schwarze Tür von 2007, die hat schon fast was Filmerisches, wie aus einem Horrorfilm.
MOFF: Absolut.
UM: Also von diesem Moment, in dem etwas eingefroren wird. Wie ein Filmstill.
MOFF: Ist das auch ein Teil deiner persönlichen Geschichte? Oder ist das eine Geschichte, die du für den Raum erfindest? Es hat ja doch dieses stark narrative. Wo kommt das dann her?
UM: Da vermischt sich sehr viel. Eine künstlerische Arbeit ist oft für einen speziellen Raum geschaffen und sie entwickelt sich aus meiner eigenen Arbeit heraus. Die natürlich irgendwo einen persönlichen Grundansatz, eine Wurzel haben muss. Das, was ich erzähle ... für mich ist es wichtig dann zu kommunizieren und die Leute zu erreichen. Ob das jetzt wirklich direkt persönlich ist oder nicht, halte ich gar nicht für so relevant, sondern es ist eine eigene visuelle Logik, die sich aus der Arbeit entwickelt. Vielleicht ist es nur eine Möglichkeit dessen, wovon ich angefangen habe zu arbeiten, die sich entwickelt. Man kann es nicht eins zu eins direkt mit irgendwelchen persönlichen Ereignissen meinerseits verknüpfen. Das geht nicht, und so persönlich ist meine Arbeit auch nicht. Es hat viel mehr mit dem zu tun, was mir erzählt wird. Mit dem, was ich gehört habe, also die „Sprüche“ sind ganz typisch dafür. Das sind Sätze, die mir auch gesagt worden sind oder zum Teil Zitate aus der Weltliteratur. Es ist ein ziemlich wildes Gemisch, das man kaum noch auseinander halten kann. Und meine Arbeit hat sehr, sehr viele Einflüsse. Die Arbeiten entstehen über lange Zeiträume, aus langen Arbeitsprozessen heraus. Für mich ist es interessant, dass Leute ihre eigene Auseinandersetzung damit haben. Was ruft es in ihnen wach, was passiert, wenn sie eine Schaukel oder eine Rutsche sehen? Aber im Grunde genommen möchte ich gar nicht so viel mit meinen Arbeiten. Ich habe keine Mission, keine bewusste zumindest.
M: Mir gefallen deine Arbeiten mit Elektrizität sehr gut, die sind spannend. Ob der „Strommasten“ oder wenn du mit vorhandenen Lampen im Raum arbeitest. Auch die sehr konkrete Arbeit mit den Taschenlampen ´unterm Bett´ hat was filmerisches, die ist wirklich schön.
UM: Ja, danke, das freut mich. Das ist eine Arbeit, die von vielen Leuten übersehen worden ist.
MOFF: Aber vielleicht können wir noch über diese ´schwarze Tür´sprechen. Die ist so subtil, dass die von den Besuchern im Ausstellungsraum wahrscheinlich gar nicht so wahrgenommen wird.
UM: Ja. Ich habe manchmal Arbeiten, auf die kommt sehr viel Rückmeldung. Manchmal sind die Arbeiten natürlich auch heftig oder alles, was mit Bruch oder Zerstörung zu tun hat, das ist schlichtweg ein Hingucker. Und das ist bei dieser Arbeit anders, man hat zwar auch dieses Einmeißeln oder Einschneiden, die Verletzung der Wand, aber es ist unspektakulär.
MOFF: Und von wann ist die?
UM: Die ist von 2009.
MOFF: Wo hast Du die gezeigt?
UM: KIT, Düsseldorf. Kunst im Tunnel.
MOFF: Und ganz kurz eine technische Frage: Du hast die Wand aufgemeißelt?
UM: Ja, aufgeschnitten. Mit einem Cutter. Es gibt eine Vorgängerarbeit mit Text. Da habe ich das erste Mal auf diese Art und Weise in die Wand gearbeitet. Da habe ich mich mit dieser Technik auseinandergesetzt. Ich habe erst vorgezeichnet, dann habe ich aber gemerkt, dass das Einschneiden, das ich bei der Vorgängerarbeit gemacht habe, um die äußeren Kanten, von deren Rändern aus eingemeißelt wird, zu definieren, in diesem Fall reicht. Also dass ich gar nicht mit so einem heftigen Meißel da rangehen musste. Die Arbeit ist auch ganz leicht reliefartig. Ich weiß nicht, ob man das auf dem Dokumentationsphoto gut sieht. An einigen Stellen ist es so, als würde die Wand ein bisschen nach vorne platzen an den Stellen, an denen sie aufgeschnitten ist.
MOFF: Und Du hast die Tür und hier dieses Notausgangsschild einfach gespiegelt?
UM: Genau.
MOFF: Spiegel und Spiegelung – das Thema taucht ja auch immerwieder in deinen Arbeiten auf.
UM: Ja. Genau. Es ist ein oft wiederkehrendes Thema.
MOFF: Und die Tür als Öffnung – geht es dir um eine scheinbare Öffnung? Um die Illusion?
UM: Ja, und doch nicht. Also für mich war es eine zeichnerische Auseinandersetzung mit dem Ort. Auch, dass es natürlich eine Flucht-Tür ist, die hier überhaupt nicht funktioniert. Auch dieses schemenhafte Erscheinen …
MOFF: Fast die Tür für den Doppelgänger. (lachen)
UM: Ja.
MOFF: Du gehst da raus, und der geht da raus.
UM: Ja, oder da rein.
MOFF: Ja, genau.
UM: Also, es ist ein bisschen unklar. Mich hat es auch interessiert als Möglichkeit zu zeichnen im Raum, an der Wand. Und dann durchbricht eine Tür ja auch die Wand, es ist eine Öffnung. Das versuchen diese Einritzungen auch. Es geht ja richtig in die Wand rein. Aber es ist eben kein Durchbruch. Ist kein Entkommen sozusagen. Da rein kommen, raus kommen.
MOFF: Hast du die Arbeit speziell für diesen Raum entwickelt?
UM: Nein, speziell diese Arbeit hatte ich bereits auf Schloß Ringenberg entwickelt. Dort wohnte ich in einem Atelier mit einer Tür, und ich hatte an der Atelier-Wand diese Tür eingeritzt. Ich hatte einfach mal damit angefangen. Davor habe ich solche Versuche bei mir im Atelier in Düsseldorf gemacht. Ich versuchte, Fenster in die Wand einzuritzen. Das heißt, bevor ich jetzt diese Arbeit gemacht habe, habe ich bestimmt anderthalb oder ein Jahr vorher damit herum experimentiert, Arbeiten in dieser Richtung gemacht. Die aber nie gezeigt worden sind, die auch noch nicht einmal in meiner Dokumentation drin sind. Es entsteht vieles im Atelier über Jahre. Ich mache etwas, beschäftige mich damit und irgendwann kommt dann die Situation, in der ich das anwenden kann und in der es passt.
Ein Gespräch von Anne Schloen und Stefanie Klingemann mit Ulrike Möschel im MOFF Magazin, Köln. 2013
Ulrike Möschel: Ja.
MOFF: Wir schauen uns hier deine Schattenarbeiten “Scheinschattenwerfer“ im, Kunstverein Bochum und “weiße Schatten“ im Kunst- und Gewerbeverein Regensburg an, kannst du dazu näheres sagen?
UM: Was Licht und Schatten angeht, würde ich sagen, dass ich eine sehr grafische Herangehensweise habe. Ich zeichne, bevor ich meine Installationen mache. Und die Auseinandersetzung mit Hell/Dunkel kommt aus dem Interesse an der Linie und an der Fläche. Licht und Schatten haben kulturell sehr weitreichende Bedeutungen. Gerade der Schatten - oder hier speziell hier die „ Scheinschattenwerfer“ – das hat zum Beispiel viel mit Mimesis zu tun. Ich habe auch Video-Arbeiten, die wie ein trompe l'oeil wirken. Da ist zum Beispiel die Tür, die im Video eingetreten wird.
Ich interessiere mich aber auch sehr für Räume und für Orte, die ich betrete. Und man hat eben meistens eine Lampe dort hängen und ein Beleuchtungssystem. In gebauten Räumen gibt es Türen und Fenster, Eingänge und Ausgänge. Es gibt eine Decke, einen Boden und eine Wand, manchmal eine Heizung, aber das auch nicht immer. Das sind ja schon fast Grund-Parameter des Bauens. Das hat mich auch interessiert. Des Weiteren ich bin immer wieder angezogen von Licht, von Lichtpunkten, seien es Straßenlaternen oder der Sternenhimmel. Das sieht man jetzt nicht so direkt in meiner Arbeit, aber der interessiert mich auch sehr. Es ist auf jeden Fall so ein, wie soll ich sagen, ein, nicht ein roter, sondern ein leuchtender Faden, der sich irgendwie durch meine Arbeit zieht. Trotzdem verstehe ich meine Arbeit selbst thematisch als viel breiter gefächert.
MOFF: Kannst Du uns noch kurz etwas zu dieser Schattenarbeit sagen? Wie hast Du das technisch gemacht?
UM: Die Schatten der Scheinwerfer-Installation im Kunstverein Bochum klebten direkt unter der Decke und ich konnte dadurch ein Verwechselspiel mit Graphitzeichnungen auf der Wand und realem Schattenwurf machen. Das war in Regensburg, dem Kunst- und Gewerbeverein, nicht möglich. Da musste ich eine andere Lösung finden. Ich hatte davor auch schon mit weißem Lack gearbeitet, und so kam dann die Idee, das ins Gegenteil zu vertauschen: Den dunklen Schatten in eine helle, strahlende Fläche zu verwandeln. Es gab eine Arbeit mit weißem Lack auf Wand, die habe ich im Kjubh in Köln gezeigt. Das ist die Vorgänger-Arbeit. Bei dieser Arbeit hatte das Muster auch gar nichts Schattenhaftes, aber in Regensburg ist das wirklich ein überzeugender Schatten geworden, der aber nicht mit einem realen Schatten konkurrieren musste wie das bei der Arbeit in Bochum der Fall war. In Bochum war es so: Hier gab es echte Schatten und die gezeichneten Schatten. Ich musste so arbeiten, dass man es wirklich verwechseln konnte. In der Situation in Regensburg hat die andere Variation sehr gut geklappt: Einfach nur mit dem weißen Lack zu arbeiten, und allein die Silhouette ruft den überzeugenden Eindruck des Schattens hervor.
MOFF: Interessiert dich denn auch die Beziehung zwischen dem Zweidimensionalen und dem Dreidimensionalen? Ist das auch ein Thema?
UM: Ja. Sehr.
MOFF: Du spielst hier mit dem Verhältnis zwischen der Realität und dem Abbild der Realität, wie hier in der Schattenzeichnung.
UM. Ja. Also, das Verhältnis von Dreidimensionalität und Zweidimensionalität interessiert mich natürlich sehr. Obwohl es jetzt keine Arbeiten gibt, in denen ich beide Element miteinander direkt verknüpfe. Das wäre schön, wenn mir das auch gelingt, das wären dann ja sehr große, sehr umfassende Raum-Installationen, denke ich, die sowohl Wand, Fläche, Raum, Boden, also alles gleichzeitig bearbeiten. Das Schattenhafte, der Doppelgänger, die Kopie, das sind Elemente, die immer wieder in meiner Arbeit auftauchen, auch schon sehr früh. In einem Katalogtext hat Annette Urban das wirklich schön geschrieben. Sie hat vom Doppelgängerhaften geschrieben. Was ja auch die Dimension des Unheimlichen hat, und das fand ich wirklich gut beobachtet. Ich orientiere mich in meiner Arbeit sehr stark dem an, was man sieht oder vermeintlich sieht. Man kann alles in Frage stellen, was vor unseren Augen ist. Man könnte es vielleicht als einen phänomenologischen Ansatz begreifen, was ich mache. Also was wirklich vor meinen Augen ist, was auch sichtbar ist, was da ist als Form, was dadurch sehr viel mit dem Alltag zu tun hat.
MOFF: Zum Beispiel die Arbeit mit der Rutsche?
UM: Zum Beispiel. Ich arbeite gerne mit Gegenständen, mit denen die meisten Menschen was anfangen können oder die jemandem im Laufe seiner Biografie begegnen. Also insofern versuche ich schon, bestimmte gemeinsame Nenner zu finden. Aber ich habe dann auch wieder ein paar Haken in meiner Arbeit. Wenn man sich meine Zeichnungen anschaut, stößt man auch auf abstrakte Zeichnungen. Daraus haben sich noch keine Skulpturen, Plastiken oder Raum-Installationen entwickelt, die dann genauso abstrakt wären, aber so was ist ebenfalls da oder ich beschäftige mich auch damit. Ich schaue mir sehr gerne abstrakte Kunst an. Aber der Ausgangspunkt und die Initialzündung für mein Arbeiten liegen in der Begegnung, im gegenständlichen Sehen.
MOFF: Du arbeitest oft ortsbezogen, für den Innenraum oder du holst etwas von außen nach innen wie zum Beispiel den Strommasten. Wie entwickelst du diese Arbeiten?
UM: Ich schaue mir immer den Raum sehr genau an. Und ich mache Zeichnungen. Ich schaue mir das Umfeld an, ob es bestimmte Dinge gibt, die mir ins Auge springen, an denen ich mich sozusagen aufhänge.
MOFF: Also der Raum ist der Ausgangspunkt um deine Arbeit zu entwickeln?
UM: Ja, oder auch Gegenstände, die in ihm drin sind. Der Raum muss nicht immer der Ausgangspunkt sein, es gibt auch autonomere Arbeiten. Ich denke, dass die Rutsche dazu zählt, aber auch die Schaukel. Aber ich orientiere mich auch an den Räumen. Ich habe nicht immer einen Raum zur Verfügung, in dem ich arbeite. Auch kann man nicht in jedem Raum ortsspezifisch arbeiten. Das hängt von der Form der Ausstellung ab und von den Möglichkeiten, die ich habe. Aber ich mache es gerne so. Und das ist ja auch wieder ein Reagieren auf Situationen, die bereits da sind, auf das Vorgefundene.
MOFF: Der Begriff des Doppelgängers von der Annette Urban, den du eben schon erwähnt hast, der erinnert auch an diesen Moment des Unheimlichen, den gibt es bei deinen Arbeiten öfters, nicht? So wie bei der Schaukel oder bei der Tür, hinter der das zerbrochene Glas heraussplittert.
UM: Ja.
MOFF: Man weiß nicht, was da genau passiert ist. Es ist irgendetwas Unerklärliches.
UM: Ja. Das ist in vielen Arbeiten vorhanden. Also, die von dir genannte Arbeit schwarze Tür von 2007, die hat schon fast was Filmerisches, wie aus einem Horrorfilm.
MOFF: Absolut.
UM: Also von diesem Moment, in dem etwas eingefroren wird. Wie ein Filmstill.
MOFF: Ist das auch ein Teil deiner persönlichen Geschichte? Oder ist das eine Geschichte, die du für den Raum erfindest? Es hat ja doch dieses stark narrative. Wo kommt das dann her?
UM: Da vermischt sich sehr viel. Eine künstlerische Arbeit ist oft für einen speziellen Raum geschaffen und sie entwickelt sich aus meiner eigenen Arbeit heraus. Die natürlich irgendwo einen persönlichen Grundansatz, eine Wurzel haben muss. Das, was ich erzähle ... für mich ist es wichtig dann zu kommunizieren und die Leute zu erreichen. Ob das jetzt wirklich direkt persönlich ist oder nicht, halte ich gar nicht für so relevant, sondern es ist eine eigene visuelle Logik, die sich aus der Arbeit entwickelt. Vielleicht ist es nur eine Möglichkeit dessen, wovon ich angefangen habe zu arbeiten, die sich entwickelt. Man kann es nicht eins zu eins direkt mit irgendwelchen persönlichen Ereignissen meinerseits verknüpfen. Das geht nicht, und so persönlich ist meine Arbeit auch nicht. Es hat viel mehr mit dem zu tun, was mir erzählt wird. Mit dem, was ich gehört habe, also die „Sprüche“ sind ganz typisch dafür. Das sind Sätze, die mir auch gesagt worden sind oder zum Teil Zitate aus der Weltliteratur. Es ist ein ziemlich wildes Gemisch, das man kaum noch auseinander halten kann. Und meine Arbeit hat sehr, sehr viele Einflüsse. Die Arbeiten entstehen über lange Zeiträume, aus langen Arbeitsprozessen heraus. Für mich ist es interessant, dass Leute ihre eigene Auseinandersetzung damit haben. Was ruft es in ihnen wach, was passiert, wenn sie eine Schaukel oder eine Rutsche sehen? Aber im Grunde genommen möchte ich gar nicht so viel mit meinen Arbeiten. Ich habe keine Mission, keine bewusste zumindest.
M: Mir gefallen deine Arbeiten mit Elektrizität sehr gut, die sind spannend. Ob der „Strommasten“ oder wenn du mit vorhandenen Lampen im Raum arbeitest. Auch die sehr konkrete Arbeit mit den Taschenlampen ´unterm Bett´ hat was filmerisches, die ist wirklich schön.
UM: Ja, danke, das freut mich. Das ist eine Arbeit, die von vielen Leuten übersehen worden ist.
MOFF: Aber vielleicht können wir noch über diese ´schwarze Tür´sprechen. Die ist so subtil, dass die von den Besuchern im Ausstellungsraum wahrscheinlich gar nicht so wahrgenommen wird.
UM: Ja. Ich habe manchmal Arbeiten, auf die kommt sehr viel Rückmeldung. Manchmal sind die Arbeiten natürlich auch heftig oder alles, was mit Bruch oder Zerstörung zu tun hat, das ist schlichtweg ein Hingucker. Und das ist bei dieser Arbeit anders, man hat zwar auch dieses Einmeißeln oder Einschneiden, die Verletzung der Wand, aber es ist unspektakulär.
MOFF: Und von wann ist die?
UM: Die ist von 2009.
MOFF: Wo hast Du die gezeigt?
UM: KIT, Düsseldorf. Kunst im Tunnel.
MOFF: Und ganz kurz eine technische Frage: Du hast die Wand aufgemeißelt?
UM: Ja, aufgeschnitten. Mit einem Cutter. Es gibt eine Vorgängerarbeit mit Text. Da habe ich das erste Mal auf diese Art und Weise in die Wand gearbeitet. Da habe ich mich mit dieser Technik auseinandergesetzt. Ich habe erst vorgezeichnet, dann habe ich aber gemerkt, dass das Einschneiden, das ich bei der Vorgängerarbeit gemacht habe, um die äußeren Kanten, von deren Rändern aus eingemeißelt wird, zu definieren, in diesem Fall reicht. Also dass ich gar nicht mit so einem heftigen Meißel da rangehen musste. Die Arbeit ist auch ganz leicht reliefartig. Ich weiß nicht, ob man das auf dem Dokumentationsphoto gut sieht. An einigen Stellen ist es so, als würde die Wand ein bisschen nach vorne platzen an den Stellen, an denen sie aufgeschnitten ist.
MOFF: Und Du hast die Tür und hier dieses Notausgangsschild einfach gespiegelt?
UM: Genau.
MOFF: Spiegel und Spiegelung – das Thema taucht ja auch immerwieder in deinen Arbeiten auf.
UM: Ja. Genau. Es ist ein oft wiederkehrendes Thema.
MOFF: Und die Tür als Öffnung – geht es dir um eine scheinbare Öffnung? Um die Illusion?
UM: Ja, und doch nicht. Also für mich war es eine zeichnerische Auseinandersetzung mit dem Ort. Auch, dass es natürlich eine Flucht-Tür ist, die hier überhaupt nicht funktioniert. Auch dieses schemenhafte Erscheinen …
MOFF: Fast die Tür für den Doppelgänger. (lachen)
UM: Ja.
MOFF: Du gehst da raus, und der geht da raus.
UM: Ja, oder da rein.
MOFF: Ja, genau.
UM: Also, es ist ein bisschen unklar. Mich hat es auch interessiert als Möglichkeit zu zeichnen im Raum, an der Wand. Und dann durchbricht eine Tür ja auch die Wand, es ist eine Öffnung. Das versuchen diese Einritzungen auch. Es geht ja richtig in die Wand rein. Aber es ist eben kein Durchbruch. Ist kein Entkommen sozusagen. Da rein kommen, raus kommen.
MOFF: Hast du die Arbeit speziell für diesen Raum entwickelt?
UM: Nein, speziell diese Arbeit hatte ich bereits auf Schloß Ringenberg entwickelt. Dort wohnte ich in einem Atelier mit einer Tür, und ich hatte an der Atelier-Wand diese Tür eingeritzt. Ich hatte einfach mal damit angefangen. Davor habe ich solche Versuche bei mir im Atelier in Düsseldorf gemacht. Ich versuchte, Fenster in die Wand einzuritzen. Das heißt, bevor ich jetzt diese Arbeit gemacht habe, habe ich bestimmt anderthalb oder ein Jahr vorher damit herum experimentiert, Arbeiten in dieser Richtung gemacht. Die aber nie gezeigt worden sind, die auch noch nicht einmal in meiner Dokumentation drin sind. Es entsteht vieles im Atelier über Jahre. Ich mache etwas, beschäftige mich damit und irgendwann kommt dann die Situation, in der ich das anwenden kann und in der es passt.
Ein Gespräch von Anne Schloen und Stefanie Klingemann mit Ulrike Möschel im MOFF Magazin, Köln. 2013