Immer diese Wörter – zu den Textarbeiten von Ulrike Möschel
Annette Urban
Die seit 2003 entstehenden Textarbeiten bilden eine eigenständige Gruppe im Werk von Ulrike Möschel und stehen mit ihren meist installativen, raumbezogenen Arbeiten zugleich in vielfältiger Verbindung: Derselbe schwarze Tafellack und andere, ausgewählte Lackfarben, mit denen die Düsseldorfer Künstlerin Türen, Heizkörper oder Leitern überzieht, verwandeln einzelne Blätter von Schreib- und Zeichenblöcken, wie wir sie für alltägliche Notizen nutzen, in mehr oder minder solide Träger von knappen, irritierend direkten Texten. Dicht beieinander in Raumnischen arrangiert, ergeben die ungerahmten Blätter zusammen eine vielfarbige, beinahe kindlich-fröhliche Wand aus locker gestreuten Zetteln, die die ungeschönten, harten Worte unversehens tragik-komisch wirken lassen.
Längst hat Ulrike Möschel jedoch die Wand selbst zum Kernelement ihrer Arbeit gemacht, mit dem sie konkret vor Ort umzugehen versteht und die sie mitunter auch direkt beschriftet. Warum also der Rückgriff auf Papierarbeiten? Anscheinend finden diese Texte ihr Medium eher an der Wand als auf der Buchseite. Dahinter steht nicht nur das Bedürfnis zu schreiben, sondern etwas zu beschriften, das mehr Widerstand und Reibungsfläche bietet als allein ein weißes Blatt. Deswegen drängt es die Wörter in öffentliche Räume, darin anonymen Kritzeleien vergleichbar. Auch die Ähnlichkeit mit Schildern oder Tafeln unterstreicht diese öffentliche Dimension, nur dass die subversive Geste damit in eine autoritäre Verlautbarung bzw. kindliches Nachbuchstabieren kippt. Im Kontrast dazu steht der oft intime Charakter der Aussagen und der Rückzug auf das Ich. Allerdings werden nur vordergründig private Gedanken und Gefühle ausgestellt. Die vermeintlich schonungslose Selbst-Analyse, teils sogar -Erniedrigung entpuppt sich bald als Spiel mit verschiedenen Zuschreibungen. Keineswegs entspricht dieses Schreiben dem eines Tagesbuchs, auch wenn die Texte über einen langen Zeitraum entstehen. Das sporadische Entstehen vermeidet eine Redundanz der Sprüche, die immer wieder um Themen wie das eigene Ungenügen in der Arbeit oder in menschlichen Beziehungen kreisen, und bewahrt ihnen im Moment des Schreibens ihre Dringlichkeit. Diese rührt weniger daher, dass sich hier ein Inneres ausspricht. Schließlich sind das wiederkehrende Ich und Du durchaus künstliche Instanzen, die sich manchmal hörbar aus dem Mund ganz anderer Sprecher speisen, deren Worte einen Widerhall fanden und zu eigen gemacht worden sind. Die Intensität liegt vielmehr darin, wie diese aufgeladenen Worte auf den monochrom-leeren, atmosphärisch lavierten oder abweisend schwarzen Grund gesetzt werden und dabei Widerstände überwinden. Die Wahl von Schriftart und Farbton, von Kreide, Wasserfarbe oder Lack, aber auch des Borsten- oder Haarpinsels ist überaus signifikant: Stille erfordert ganz andere, hoch ausgreifende, lichte Buchstaben als etwa Alles kaputt machen. Gefühlsbekundungen wie Mir ist heiß oder Verletzt mich doch übertragen ihre Körperlichkeit in die spezifische Taktilität des Farbauftrags, die dem jeweiligen Gerät auf verschieden präpariertem Grund oder allein der Verwendung von Nagellack zu eigen ist. Dem Klang gewisser Wörter und Redeweisen korrespondiert so die Tonalität der Farbigkeit im Zusammenspiel mit den flächig-soliden oder räumlich verflüchtigten Hintergründen. Trotz der als unmittelbar-persönlich geltenden Handschrift verhindern schon die Blockbuchstaben ein Übermaß gestischer Expressivität. Die klar getrennten Lettern sorgen vielmehr für Zäsuren und mithin eine Zügelung. Umso sprechender erweist sich die Platzierung der Schrift im Format, die derjenigen der Tafeln an der Wand ähnelt, sofern bestimmte Blätter bestimmte Stellen, z.B. über der Tür oder nahe des Fußbodens, erfordern: Worte verklammern sich mit Papierrändern wie Blätter mit Raumkanten. Vor einer solchen Wand sieht sich der Betrachter simultan mit voller Wucht mit Arbeiten konfrontiert, die einzeln für sich beinahe meditativ als Zwischenspiel im Werkverlauf entstanden sind. Genau dieser Zusammenstoß divergenter Sprech- und Rezeptionsweisen, von steter, prozesshafter Akkumulation und überfallartiger, vielstimmiger Präsenz, von Verinnerlichung und Entäußerung bildet den Kern der fortgeführten Werkgruppe.
Annette Urban, 2008
Annette Urban
Die seit 2003 entstehenden Textarbeiten bilden eine eigenständige Gruppe im Werk von Ulrike Möschel und stehen mit ihren meist installativen, raumbezogenen Arbeiten zugleich in vielfältiger Verbindung: Derselbe schwarze Tafellack und andere, ausgewählte Lackfarben, mit denen die Düsseldorfer Künstlerin Türen, Heizkörper oder Leitern überzieht, verwandeln einzelne Blätter von Schreib- und Zeichenblöcken, wie wir sie für alltägliche Notizen nutzen, in mehr oder minder solide Träger von knappen, irritierend direkten Texten. Dicht beieinander in Raumnischen arrangiert, ergeben die ungerahmten Blätter zusammen eine vielfarbige, beinahe kindlich-fröhliche Wand aus locker gestreuten Zetteln, die die ungeschönten, harten Worte unversehens tragik-komisch wirken lassen.
Längst hat Ulrike Möschel jedoch die Wand selbst zum Kernelement ihrer Arbeit gemacht, mit dem sie konkret vor Ort umzugehen versteht und die sie mitunter auch direkt beschriftet. Warum also der Rückgriff auf Papierarbeiten? Anscheinend finden diese Texte ihr Medium eher an der Wand als auf der Buchseite. Dahinter steht nicht nur das Bedürfnis zu schreiben, sondern etwas zu beschriften, das mehr Widerstand und Reibungsfläche bietet als allein ein weißes Blatt. Deswegen drängt es die Wörter in öffentliche Räume, darin anonymen Kritzeleien vergleichbar. Auch die Ähnlichkeit mit Schildern oder Tafeln unterstreicht diese öffentliche Dimension, nur dass die subversive Geste damit in eine autoritäre Verlautbarung bzw. kindliches Nachbuchstabieren kippt. Im Kontrast dazu steht der oft intime Charakter der Aussagen und der Rückzug auf das Ich. Allerdings werden nur vordergründig private Gedanken und Gefühle ausgestellt. Die vermeintlich schonungslose Selbst-Analyse, teils sogar -Erniedrigung entpuppt sich bald als Spiel mit verschiedenen Zuschreibungen. Keineswegs entspricht dieses Schreiben dem eines Tagesbuchs, auch wenn die Texte über einen langen Zeitraum entstehen. Das sporadische Entstehen vermeidet eine Redundanz der Sprüche, die immer wieder um Themen wie das eigene Ungenügen in der Arbeit oder in menschlichen Beziehungen kreisen, und bewahrt ihnen im Moment des Schreibens ihre Dringlichkeit. Diese rührt weniger daher, dass sich hier ein Inneres ausspricht. Schließlich sind das wiederkehrende Ich und Du durchaus künstliche Instanzen, die sich manchmal hörbar aus dem Mund ganz anderer Sprecher speisen, deren Worte einen Widerhall fanden und zu eigen gemacht worden sind. Die Intensität liegt vielmehr darin, wie diese aufgeladenen Worte auf den monochrom-leeren, atmosphärisch lavierten oder abweisend schwarzen Grund gesetzt werden und dabei Widerstände überwinden. Die Wahl von Schriftart und Farbton, von Kreide, Wasserfarbe oder Lack, aber auch des Borsten- oder Haarpinsels ist überaus signifikant: Stille erfordert ganz andere, hoch ausgreifende, lichte Buchstaben als etwa Alles kaputt machen. Gefühlsbekundungen wie Mir ist heiß oder Verletzt mich doch übertragen ihre Körperlichkeit in die spezifische Taktilität des Farbauftrags, die dem jeweiligen Gerät auf verschieden präpariertem Grund oder allein der Verwendung von Nagellack zu eigen ist. Dem Klang gewisser Wörter und Redeweisen korrespondiert so die Tonalität der Farbigkeit im Zusammenspiel mit den flächig-soliden oder räumlich verflüchtigten Hintergründen. Trotz der als unmittelbar-persönlich geltenden Handschrift verhindern schon die Blockbuchstaben ein Übermaß gestischer Expressivität. Die klar getrennten Lettern sorgen vielmehr für Zäsuren und mithin eine Zügelung. Umso sprechender erweist sich die Platzierung der Schrift im Format, die derjenigen der Tafeln an der Wand ähnelt, sofern bestimmte Blätter bestimmte Stellen, z.B. über der Tür oder nahe des Fußbodens, erfordern: Worte verklammern sich mit Papierrändern wie Blätter mit Raumkanten. Vor einer solchen Wand sieht sich der Betrachter simultan mit voller Wucht mit Arbeiten konfrontiert, die einzeln für sich beinahe meditativ als Zwischenspiel im Werkverlauf entstanden sind. Genau dieser Zusammenstoß divergenter Sprech- und Rezeptionsweisen, von steter, prozesshafter Akkumulation und überfallartiger, vielstimmiger Präsenz, von Verinnerlichung und Entäußerung bildet den Kern der fortgeführten Werkgruppe.
Annette Urban, 2008